Filmbesprechung von Prof. Dr. Bernhard H. F. Taureck

    Filmbesprechung von Prof. Dr. Bernhard H. F. Taureck

    Setzt sich der Trend zur steigenden Zahl von Krebserkrankungen fort, so wird bald dieser Bedrohung kaum noch jemand entkommen. Ähnliches gilt von den Herz-Kreislauferkrankungen. Mit Hinweisen auf diese Gefahren setzt der Film Hope for All der jungen und sachkundig engagierten Österreicherin Nina Messinger ein.

    Täglich töten die Menschen 140 Millionen Landtiere und 2, 7 Milliarden Fische, um sie zu verspeisen. In einem einzigen Jahr schlachten die Menschen somit 1.051 Milliarden Lebewesen, die leidens-und gefühlsfähig sind wie wir Menschen. In einem Jahr, so die weitere Rechnung, töten wir Menschen zehnmal mehr Tiere, als es seit der Steinzeit überhaupt Menschen auf diesem Globus gab. Die Zeit ist – um ein Wort Shakespeares zu benutzen – aus den Fugen geraten. Unschuldige Tiere müssen für unseren Gaumengenuss sterben. Wir sind weit entfernt davon, die Unschuld der Tiere in dem Ausmaß zu beschützen wie wir das Verbrechen der Tiertötung gewähren lassen. Wir sind in der Lage, Schmerzen und Leid besonders dann zu ertragen, sofern sie anderen zugefügt werden. Doch das Schnitzel auf dem Teller gönnen wir auch unseren Hunden, das heißt unseren geliebten, niemals erwachsen werdenden Kindern.

    Die antike Rhetorik verlangte von der Literatur dreierlei. Sie solle erfreuen, sie solle belehren und sie solle emotional bewegen. Die Kunst bestand darin, diese drei Funktionen so zu verbinden, dass sie vom Publikum ohne Mühe akzeptiert werden. Nina Messingers Film Hope for All erfüllt diese drei Bedingungen mit Bravour.

    Erfreuen: Zwei Metzger und ein Fleischfabrikant erzählen von der Grausamkeit der Tierschlachtung, die sie zum Ausstieg aus ihren Berufen führten. Verschiedene Ärzte in den USA und Europa entwickelten Verfahren, mittels pflanzlicher Ernährung Krebs und Herz-Kreislauferkrankungen nicht nur aufzuhalten, sondern reversibel werden zu lassen. Zu einem System der Ernährung, in welchem Krankheit als ökonomischer Faktor erwünscht ist, gibt es somit Alternativen, die den Tieren die Qual der Aufzucht, des Ferntransports und der Schlachtung und die den Menschen die Folgekrankheiten des Fleischkonsums erspart. Der Film gerät jedoch zu keinem Werbefilm für Plant-Food. Vielmehr scheut er die Belehrung nicht. Wissenschaftler treten vor die Kamera und belehren die Zuschauer über die Zusammenhänge zwischen Fleisch- und Milchproduktkonsum einer- und schweren Erkrankungen andererseits. Erfreuen und belehren allein ergäbe jedoch kaum mehr als einen durchschnittlichen Dokumentarfilm.

    Es fehlt noch ein drittes Element, das jedoch am schwersten zu handhaben ist: das emotionale Bewegen. Tränen des Mitleids, Tränen der Freude und Gefühle der Empörung stellen sich nur dann ein, wenn unsere Anteilnahme gesichert wird. Dieser Film bewirkt Anteilnahme durch ein überzeugendes Verfahren. Er wechselt von Szenen geheilter Menschen, fröhlich frei laufender Schweine, Rinder und Ziegen, von Szenen von Gemüse- und Obstbauern zu Szenen, in denen männlichen Ferkeln betäubungslos die Hoden herausgerissen werden, zu Szenen des misslingenden Bolzenschusses bei der Schlachtung von Rindern oder der Schreie von in CO2-Gas erstickenden Schweinen. Dieser Wechsel zeigt, welchen Sinn das Wort „Hölle“ unter säkularisierten Bedingungen nunmehr besitzt. Vor zwei Generationen wollte Jean-Paul Sartre demonstrieren, dass die jeweils anderen Menschen jedem Einzelnen zur Hölle werden können. Inzwischen wurden Aufzucht, Transport und Schlachtung von Nutztieren zu Orten des Infernos. Wie einst die mittelalterliche Hölle bleibt auch dieses Inferno unseren Blicken entzogen.

    Konfrontiert mit Bildern dieses Infernos wird der Zuschauer bereit mitzuwirken an einer Gesellschaft, die auf Nutztiere verzichtet. An einer Welt, welche einen auf den Menschen zentrierten und gewalttätigen Humanismus eintauscht gegen einen gewaltfreien Humanismus. Wie der Film eindringlich zeigt, geht es dabei sowohl um Leidvermeidung der Tiere und der erkrankten Menschen als auch um ökologische Stabilisierung des Planeten und die globale Ernährungssicherheit. Solange die Sojaproduktion mehrheitlich in die Tierfütterung wandert, müssen jährlich Millionen Menschen sterben. Für hungernde Menschen steht nicht genügend Soja zu Verfügung. Solange Treibhausgase wie Methan und Lachgas aus dem mit Gülle gedüngten Boden in die Atmosphäre entweichen, nimmt die Klimabedrohung zu.

    Dieser Film benötigt nicht das langweilige Prädikat „besonders wertvoll.“ Er benötigt die Aufmerksamkeit der gesamten Erdbevölkerung. Die Hoffnung aller, die er sät, besteht in einer Erwartung. Es geht darum, einen ebenso mächtigen wie unbewussten Feind zu überwinden. Sein Name: Die verwerfliche Gewohnheit, sich von Fleisch zu ernähren.