Interview im Vegan Magazin April/Mai 2016

    die vegane österreichische filmemacherin und autorin nina messinger über ihren dokumentarfilm »hope for all«, der im mai in die kinos nach deutschland kommt

    interview: christian vagedes

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    hope for all, unsere nahrung – unsere hoffnung. über 100 min überzeugende und vielfältige informationen. wie ist der film entstanden?

    2011 ist mein buch »du sollst nicht töten! plädoyer für eine gewaltfreie ernährung« erschienen. anschließend hatte ich das bedürfnis, noch mehr zu diesem thema machen zu wollen und noch tiefer in die hintergründe einzusteigen. angesichts der macht der bilder beschloss ich, einen film zu machen, um die menschen auch emotional besser erreichen zu können.

    was genau ist dir dabei wichtig?

    mit hope for all möchte ich die bestehenden zusammenhänge zwischen umweltzerstörung, tierleid, gesundheit und der fleisch- und milchproduktlastigen ernährung in den industrieländern aufzeigen. wichtig ist mir dabei vor allem, andersdenkende zum nachdenken zu bewegen. darum war es mir beispielsweise auch wichtig zu verdeutlichen, dass und warum der verzehr tierischer und stark industriell verarbeiteter nahrungsmittel ein gewichtiger faktor für die entstehung von chronischen krankheiten wie krebs, diabetes, herz-kreislauferkrankungen und fettleibigkeit ist. ich möchte zeigen, wie wir durch unsere unbedachten ernährungsgewohnheiten nicht nur uns selbst schaden, sondern auch unsere umwelt zerstören. hinzu kommt das elend der tiere in den tierfabriken, dass selbst fleischesser mehr und mehr zu der überzeugung bringt, dass es dringend notwendig ist, unseren umgang mit tieren zu überdenken. schweine, rinder, hühner, puten – all diese tiere sind fühlende und höchst soziale wesen, die von der agrarindustrie zu produktionsfaktoren degradiert wurden, denen jedes recht auf würde und ein angstund schmerzfreies leben abgesprochen wird. mit hope for all möchte ich bewirken, dass möglichst viele menschen nicht nur anfangen nachzudenken, sondern endlich die konsequenzen aus ihren oft längst vorhandenen grundeinsichten ziehen. diesen sprung möchte ich ihnen durch den hinweis auf die zahlreichen ebenso gesunden wie leckeren alternativen erleichtern.

    wieviel zeit hast du für die fertigstellung deines films gebraucht?

    ich habe knapp vier jahre daran gearbeitet. mit den ersten interviews habe ich 2012 begonnen. als quereinsteigerin habe ich anfangs vieles unterschätzt und musste einige umwege gehen. aber ich habe viele fachlich versierte und inspirierende menschen kennengelernt, die mein wissen erheblich erweitert haben.

    gab es für deinen film eine staatliche filmförderung?

    nein, hope for all ist ein ohne staatliche mittel entstandener film. ich habe ihn mit hilfe von eigenkapital, darlehen, privaten unterstützern und spenden finanziert.

    im gegensatz zu anderen dokus traut man sich in deinem film auch zu sehr klaren aussagen. prof. campbell präsentiert eine frau, die an krebs erkrankte, gezielt auf die chemotherapie verzichtete und dann durch eine vegane ernährung wieder volständig gesund wurde. außerdem wird unverblümt gesagt, dass bestimmte industrien gar nicht an der gesundheit, aber an der krankheit der menschen geld verdienen. müssen wir insgesamt mutiger werden?

    ich denke, wir müssen auf alle fälle ehrlicher werden und mehr eigenverantwortung übernehmen. wir müssen erkennen, dass es langfristig wenig sinn macht, krankheiten nur symptomatisch zu behandeln, statt bei den ursachen anzusetzen. wir müssen den fokus wieder mehr auf unsere lebensgewohnheiten richten. diese beeinflussen unsere gesundheit maßgeblich. und dazu zählt natürlich auch unsere ernährung. eine vollwertige, pflanzliche ernährungsweise trägt nicht nur zum erhalt unserer gesundheit bei, sie hat auch eine therapeutische wirkung. natürlich schützt eine bewusste pflanzliche vollwerternährung nicht vor sämtlichen krankheiten, aber sie kann ganz erheblich zur erhaltung und verbesserung unserer gesundheit beitragen.

    jedes dritte getreidekorn, so heißt es in hope for all, wird dafür verschwendet, unglückliche tiere zu mästen statt hungernde menschen zu sättigen. auch auf unoebene ist das bekannt. auch dr. vandana shiva spart in deinem film hierzu nicht mit worten. warum schweigen die allermeisten politiker und verbände eigentlich weiter dazu? hast du dafür eine erklärung?

    die agrar- und lebensmittelindustrie sowie die eng mit ihr verbundene pharma-, biotechnologie- und chemieindustrie sind sehr mächtig und haben einen großen einfluss auf politik, verbände und auch auf die wissenschaft. obwohl wir heute wissen, welche fatalen ökologischen und gesellschaftlichen folgen unser massenhafter konsum tierischer nahrungsmitteln hat, wird ihre produktion weiterhin stark subventioniert und vorangetrieben. das gewinnorientierte interesse der erwähnten industrien geht auf kosten von mensch, tier und umwelt. weltweit hungern 1,8 milliarden menschen, und das in einer welt, in der die gesamte getreideernte ausreichen würde, alle menschen zu ernähren. es ist unsere fleischeslust, die dazu führt, dass in den entwicklungsländern riesige flächen für die viehzucht abgeerntet werden, während dort gleichzeitig täglich tausende von menschen sterben, weil sie nichts zu essen haben. unser konsum geht buchstäblich über leichen.

    hope for all bringt auch szenen, die richtig wehtun. ich konnte mich kaum beherrschen… das erzeugt einen inneren aufschrei, bei dem man aktiv werden will…

    es war mir wichtig den zuschauern einen einblick in den traurigen alltag der tiere in den mastbetrieben zu gewähren. die bilder stehen stellvertretend für die millionen und abermillionen von tieren, die diesen horror jeden tag erleiden.

    du zeigst schlachter, die sehr ehrlich erzählen, was wirklich passiert und die aus dem mordsgeschäft ausgestiegen sind. erste anzeichen dafür, dass menschen bei diesen verbrechen nicht mehr mitmachen wollen?

    ich merke, dass immer mehr menschen bereit zu einer veränderung sind und ihre essgewohnheiten umzustellen beginnen. Immer mehr menschen setzen mit ihrem tun ein zeichen gegen die tierausbeutung, immer mehr erkennen den zusammenhang zwischen dem konsum von tierischen produkten, tierleid, umweltzerstörung und welthunger und ziehen ihre konsequenzen daraus. immer mehr menschen erkennen den gesundheitlichen wert, den eine pflanzliche ernährung haben kann. das erfreuliche dabei ist, dass angesichts der vielfalt der vorhandenen angebote der umstieg immer leichter wird. das vegane angebot in restaurants, reformhäusern, naturkostländen und supermärkten wächst stetig. Zudem gibt es mittlerweile zahlreiche wirklich gute vegane kochbücher auf dme markt. all das stimmt mich sehr hoffnungsvoll.

    auch dr. hermann focke hast du vor die kamera bekommen. er ist über jahrzehnte veterinäramtsleiter gewesen. Seine aussagen allein müssten an sich schon reichen, die tierqualstellen zu schließen…

    wir befinden uns in einem zähen, mühseligen prozess der umorientierung. der mensch ist ein gewohnheitstier und legt die von klein auf an eingeprägten verhaltensmuster ungern ab. hinzu kommen die erinnerungen an schöne feste und feiern, bei denen fleisch gegessen wurde, das dadurch auch eine emotionale aufladung erfährt, sich davon zu verabschieden ist trotz aller einsicht schwierig, zumal es nach wie vor viele ärzte gibt, die zum verzehr von fleisch und milchprodukten raten. es ist also noch viel überzeugungsarbeit zu leisten.

    mit tiberius hast du einen filverleich gefunden, dessen dokus sich weit verbreiten, fast jeder kennt z.b. food inc. meinst du, dass dein film auch menschen erreicht, die noch nicht vegan leben?

    das hoffe ich doch sehr, denn für sie habe ich in erster linie diesen film gemacht. ernährung betrifft uns alle. sie zählt zu den einflussreichsten entscheidungen, die wir tag für tag treffen können. in ihr liegen die chance und der schlüssel zu einer umfassenden positiven veränderung zum nutzen aller.

    dein film müsste auch in schulen gezeigt werden…

    darum kümmert sich tiberius film, und es wäre wunderbar, wenn er dabei erfolg hätte.

    ab mai machst du eine tour durch etwa zwanzig deutsche städte. abgesehen davon, dass das veganmagazin die tour sehr gerne unterstützt, möchtest du unseren leserinnen und lesern sicher gern schon etwas dazu sagen…

    ich würde mich sehr freuen, einigen leserinnen und lesern auf der tour persönlich zu begegnen und hoffe, dass wir gemeinsam dazu beitragen können, mehr bewusstsein in sachen ernährung zu erzeugen und mehr interesse an einer pflanzlichen kost zu wecken.